Kinder für Kinder: Vorlesen statt Mathematik

Am 3. Februar ab 9.15 Uhr kommen die 16 besten Vorleserinnen und Vorleser aus den 6. Klassen der linksrheinischen Schulen ins Rheinbacher Stadttheater zum öffentlichen Kreisentscheid des Bundesweiten Vorlesewettbewerbs. Der Eintritt ist frei.
In Alfter, Bornheim, Königswinter, Meckenheim, Rheinbach und Wachtberg wird in diesen Tagen fleißig das Vorlesen geübt. Hier haben insgesamt 16 Schulen ihre Schulsieger der Klassenstufe sechs gekürt und für die nächste Runde gemeldet, den Kreisentscheid (Rhein-Sieg I). Diesmal sind es, anders als im Vorjahr, vor allem Schulsiegerinnen, die in ihren jeweiligen Schulentscheiden überzeugen konnten. Die Rheinbacherinnen Emilia Kröger (Gesamtschule Rheinbach), Charlotte Hartmann (Städtisches Gymnasium) und Friederike Spreer (Sankt-Joseph-Gymnasium) bereiten sich sogar gemeinsam vor.
Schon seit Dezember treffen sich die Mädchen in der Rheinbacher Bücherei und im Kulturzentrum Himmeroder Hof. Das Ausprobieren verschiedener Bücher und die Suche nach der besten Textstelle in der Länge von etwa drei Minuten Lesezeit verbinden sie ganz praktisch mit dem sogenannten Fremdtextlesen. Auch das muss im Wettbewerb gekonnt sein. Beraten und gecoacht werden sie dabei u.a. von Rezitator Karl Hempel sowie dem Vorlesenthusiasten, Vereinsmitglied und Grundschullehrer Gerd Engel. Beide arbeiten ehrenamtlich für Rheinbach Liest. Emilia, Charlotte und Friederike verstehen sich ausgezeichnet, unterstützen sich gegenseitig und lesen besonders gerne mit verteilten Rollen. Dabei probieren sie verschiedene Gestaltungsmittel aus, die die vorkommenden Emotionen eines Textes in der richtigen Dosierung transportieren. Bei unserem öffentlichen Jahresempfang „aufgeschlagen!2025“ am 24. Januar haben sie zudem einen Auftritt mit einer halb-szenischen Lesung aus dem Buch „Amy und die geheime Bibliothek“ von Alan Gratz. Dieser „Lampenfieberauftritt“ im Vorfeld des Kreisentscheids ist eine liebgewordene Tradition im Team Rheinbach.
Bereits zum neunten Mal wird der Kreisentscheid Rhein-Sieg I in der Glasstadt ausgetragen. Mehrere beteiligte Einrichtungen arbeiten Hand in Hand. Die Buchhandlung kunterbunt ist erstmals die Ansprechpartnerin für den Hauptveranstalter, der „Stiftung Buchkultur und Leseförderung“ des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Kunterbunt-Inhaberin Melanie Korber wird vielfach unterstützt von unserem Verein und der Öffentlichen Bücherei St. Martin. Und dann gilt Rheinbach ja auch noch als Stadt der Schulen. „Ohne eine Schule als Gastgeberin würde unser Konzept nicht funktionieren“, erklärt Gerd Engel. Dieses sieht nämlich vor, den Entscheid „groß zu denken“. Er wird bewusst in den Schulvormittag gelegt und die 16 teilnehmenden Kinder werden in zwei „konsumierbare“ und weitgehend unabhängige Veranstaltungsblöcke aufgeteilt. Auf diese Art können ganze Schulklassen und Stufen den Entscheid live miterleben. Dass deswegen der Matheunterricht ausnahmsweise ausfällt, finden viele Kinder möglicherweise nicht so schlimm.
In diesem Jahr ist wieder einmal das Städtische Gymnasium Gastgeberin. Es zelebriert für seine Unterstufe am 3. Februar sogar einen eigenen Büchertag als Schwerpunkt. Die Technik AG der Schule sorgt für Licht und guten Ton. Das Theater, zugleich Aula des SGR, wird dem Veranstalternetzwerk von der Stadt Rheinbach kostenfrei überlassen. Eine Spende des Rotary-Clubs Bonn-Rheinbach ermöglicht der Veranstaltung zudem eine riesige, kraftvoll leuchtende Powerpoint-Präsentation. „Dies hilft sicher mit, die jungen Besucher für die vorgelesen Bücher zu begeistern. Die entstehende Transparenz über den Ablauf, erhöht zudem die Aufmerksamkeit“, weiß Melanie Korber. Ein weiteres Merkmal der Wettbewerbskultur in Rheinbach ist das spontane wertschätzende Jury-Feedback nach jedem Wahltext. Die Jury ist u.a. mit Franzis Steinhauer (Bücherbrücke Meckenheim-Alfter), Daniela Hahn (Öffentliche Bücherei St. Martin Rheinbach), Literaturexperte Dr. Roland Ißler aus Buschhoven sowie Brigitte Nowak (Stadtbücherei Bornheim) kompetent besetzt.
Aber nicht in erster Linie für die Jury wird gelesen. Die Kinder lesen für Kinder! Insgesamt mehrere hundert Schülerinnen und Schüler aus den Grund- und weiterführenden Schulen im Rahmen des Wettbewerbs mit den Themen „Vorlesen“ und „Bücher“ zu erreichen, das dürfte deutschlandweit Seinesgleichen suchen. Eine gute Moderation ist dabei hilfreich. Sie muss für das große junge Publikum die Balance zwischen „Ausrasten und konzentriertem Zuhören“ (Engel) finden. Bühnendichter Julius Esser aus Euskirchen gehört als Moderator seit 2016 zum Stammpersonal und ist diesbezüglich erprobt. Wie im letzten Jahr wird Slam-Poetin und Sängerin Chiara Jung aus Bonn an seiner Seite sein. Sie übernimmt auch das Warm-Up für die jungen Stimmen.
Emilia, Charlotte und Friederike wissen durch das Coaching längst, wie sie den „Frosch im Hals“ vermeiden können, aber auch sie sind natürlich aufgeregt. Am Ende wird nämlich eines der 16 Kinder die Nachfolge des amtierenden Kreissiegers Julian Unruh antreten und zum Bezirksentscheid weitergeleitet.


